Die Sache mit den Biergewürzen – ein kleiner Abriss
10. Jan 2022

Die Sache mit den Biergewürzen – ein kleiner Abriss

Kräuter in grauer Vorzeit
Bier mit Zusätzen schmackhafter zu machen, ist eine jahrtausendealte Brau-Tradition. Oft verband man diese Zusätze allerdings mit zusätzlicher Wirkung auf die Gesundheit und das Wohlbefinden. Bier wurde als Allheilmittel betrachtet. Je nach Zugabe konnte es fast alle Krankheiten heilen. Nicht selten hatten die Wurzeln und Kräuter, wie zum Beispiel der berüchtigte Stechapfel, Bilsenkraut oder Fingerhut, giftige oder berauschende Wirkung. Was man alles zum Brauen verwendete, ist nur noch schwer zu identifizieren. Die Menschen von damals kannten sich mit den Kräutern viel besser aus. Am ehesten findet man noch Spuren in Archiven der Städte und Klöster, wo die sogenannten«Gruut» den Brauern von der Behörde verkauft wurde. Man wollte damit die Kontrolle über die zum Teil schädlichen Zusätze im Bier, Missbrauch und Drogensucht verhindern.

Hopfen war anfänglich auch nur ein Kraut unter vielen andern, wie Salbei, Lorbeer, Wacholder, Gagel und Sumpfporst. Die Zusammensetzung der Gruut war von Stadt zu Stadt und je nach Region verschieden.
1364 verfasste Kaiser Karl IV eine erste Schrift zum Thema Bier brauen im Heiligen Römischen Reich, wo Hopfen drin vorkommt. Man entdeckte die haltbar machende und keimtötende Wirkung des Hopfens. Hopfenbier verdrängte darauf sukzessive die wilden Kräutermischungen. Nicht zuletzt auch, weil gehopfte Biere länger haltbar waren.

Drei Bierwelten trennen sich
Bereits damals, vor vielen Hundert Jahren, teilte sich die belgische Bierwelt. In Brabant, welches zum Römischen Reich gehörte, gewannen die Hopfenbiere Überhand.
In Flandern hielten dagegen die Grutbiere bzw. Kräuter- und Gewürzbiere bis in die heutige Zeit die Oberhand. Man konzentrierte sich für die Haltbarmachung auf Säuerung anstatt Hopfen. Auch diese Tradition hat sich mit den Geuzes bzw. Lambics bis in die Neuzeit erhalten.
In Deutschland hörte der Einsatz von Kräutern und Gewürzen mit dem Reinheitsgebot von 1516 auf. Ausser Hopfen waren alle weiteren Zutaten verboten.

Kostbare Gewürze im Bier
Gewürze zählten im Mittelalter zu den kostbarsten Gütern. Zimt, Muskat, Nelken und Ingwer waren wegen ihrer langen Transportwege teuer und wurden nur in wohlhabenden Haushalten und zu besonderen Gelegenheiten eingesetzt. Mit Gewürzen aromatisierte Biere waren den Adligen und Kirchenoberen vorbehalten.
Die Brautraditionen in Flandern wandelten sich allerdings auch. Viele ehemalige «einheimische» Zutaten verschwanden. Dafür kamen neue Gewürze dazu, oft importiert aus den fernen Ländern und Kolonien. In den alten Gewürz-Handelshäusern, wo sich die Brauer heute noch mit den Zutaten eindecken, findet man aktuell folgende Gewürze: Zitronengras, irländisches Moos, Koriander, Paradieskörner, Bitterorangenschalen, Süssorgangenschalen, Zitronenverbene, Sternanis, Süssholz, Koriander, Wacholder, Ingwer, Hibiskus, Vanille, Kamille, Pfeffer, Nelken, Kardamom und Kümmel.

Biervielfalt dank Gewürzen
Man kann sich leicht vorstellen, was für eine Vielfalt an Bier-Aromen sich damit herzaubern lassen. Der Einsatz von Gewürzen ist ein gut gehütetes Geheimnis des Braumeisters. Mit Gewürzen arbeiten ist nicht ganz einfach und braucht Erfahrung. Lehrbücher gibt es dazu nicht. Man muss selber herausfinden, welche Aromen wasserlöslich sind, was man auskochen muss, überbrühen oder sich nur im Alkohol lösen lässt. Genau wie beim Hopfen, den man sowohl auskochen wie auch nur kalt vorlegen kann, entstehen so ganz verschiedene Aromanoten im Bier.

Gewürze im PILGRIM-Bier
In der Fischinger Klosterbrauerei spielen Gewürze eine wichtige Rolle. Vor allem in den nach belgischen Vorbildern gebrauten Triples kommen Paradieskorn, Koriander, Bitterorangenschalen und andere zum Einsatz. Es handelt sich ausschliesslich um absolut natürliche Rohstoffe, die wir aus zertifizierten Quellen beschaffen.
Im Waldbier lehnen wir uns an die Tradition der „Gruutbiere“ an und verbrauen getrocknete Fichtennadeln, Tannensprossen, Eisenkraut, …. und noch etwas.
Es lag auf der Hand, dass wir uns beim PILGRIM Winterbier etwas einfallen liessen. Im ersten Jahr wars eine Lebkuchenmischung. Sie hat uns nicht überzeugt – Lebkuchen und Bier passt nicht zusammen. Uns hat es jedenfalls nicht geschmeckt.
Mit Zimt hatte ich Erfahrung aus dem Brauhaus. Das Aroma aus Zimtrinden ist nur schwer im Bier zu lösen, es steckt in der Zellulose. Zimt scheidet dazu bei zu vielen Kunden schlecht ab, sie mögen das Aroma nicht.
Irgendwann kam der damalige PILGRIM-Braumeister aus einer „Expedition“ nach St. Gallen, zu einem berühmten Chocolatier mit ein paar Tonkabohnen zurück. Das war die Geburtsstunde des neuen PILGRIM Winterbier!

Tonka-Bohnen
Tonkabohnen stammen aus Brasilien, Venezuela, dem Amazonasgebiet und zum Teil aus Nigeria. Sie wachsen an einem Baum, der bis 30 Meter hoch wird. Der Kern bzw. die Bohne, sitzt in einer Frucht.

Die Spitzengastronomie hat diese aromatische Bohne vor nicht allzu langer Zeit entdeckt und «trendig» gemacht. Man setzt sie vor allem in Desserts sparsam ein. Sparsam einerseits, weil die Bohnen teuer sind. Andererseits enthält die Bohne Cumarin, welches im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Eine Zeit lang war die Bohne in der EU verboten. Heute ist sie erlaubt, darf aber nur in kleinen Mengen eingesetzt werden.

Die Bohnen sind sehr hart. In der Gastronomie legt man sie in Rum ein oder kocht sie in Milch aus. Wir zerkleinern die Bohnen auf einer Gewürzmühle, wie man sie auch für Muskat verwendet. Und weil das für 500 Liter Würze ein bisschen mehr braucht als für die Dekoration einer Torte, geht dieser exklusive Rohstoff ganz schön ins Geld. Der Kilopreis liegt irgendwo bei CHF 200.

Vanille, Mandel und Marzipan im PILGRIM Winterbier
Das wunderbare Aroma der Tonka-Bohnen erinnert an Vanille, Mandeln, Marzipan. Es gibt unserem PILGRIM Winterbier, das einmalige, feine Flavour, das so viele Bierfans heiss lieben. Es sei eben damit gesagt.
Es hat wieder Winterbier! Mal sehen, wie lange die Menge reicht.


Martin Wartmann, Bierbrauer

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